Zaehl nicht die Stunden Roman by Joy Fielding

Zaehl nicht die Stunden Roman by Joy Fielding

Autor:Joy Fielding
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2010-11-04T04:00:00+00:00


19

»Komm rein. Beeil dich!« Kim schob Teddy Cranston hastig ins Haus und warf einen ängstlichen Blick die dunkle stille Straße hinunter, wo neugierige Nachbarn lauern konnten. Dabei tat sie ja eigentlich gar nichts Verbotenes, wenn man es ganz genau nahm. Sie hatte Hausarrest. Das hieß, sie durfte nicht außer Haus gehen. Aber es hieß nicht, dass sie niemanden zu sich einladen durfte. Außerdem waren ihre Eltern beide nicht da, was spielte es da schon für eine Rolle, wenn jemand zu ihr kam! Hauptsache, sie erfuhren nichts davon. Irgendwann im Lauf des Abends würden sie, ihre Mutter oder ihr Vater oder vielleicht auch beide, zu Hause anrufen, um zu prüfen, ob sie da war, und sie würde für sie bereit sein. So wie sie für Teddy bereit war. Heute Nacht oder nie, hatte sie am Telefon zu ihm gesagt. Entweder du schwingst dich innerhalb der nächsten halben Stunde zu mir rüber, oder du hast deine Chance verpasst. Genau neunundzwanzig Minuten später hatte er bei ihr geklingelt.

»Mein Zimmer ist oben.« Kim ging ihm voraus. Wozu die Zeit mit langen Vorbereitungen vertun? Das hatten sie monatelang praktiziert. Jetzt hatten sie zwei Stunden Zeit, um die Sache zu erledigen.

»Schönes Haus«, bemerkte Teddy, als er seine schwere braune Lederjacke auszog und sie über das Treppengeländer warf, bevor er Kim nach oben folgte.

»Ganz okay, ja.«

Sie sprachen erst wieder, als sie die Tür zu ihrem Zimmer erreichten. Kim warf sicherheitshalber einen schnellen Blick hinein, um sich zu vergewissern, dass es halbwegs präsentabel war. Nach dem Anruf bei Teddy hatte sie in aller Eile alles, was nicht niet- und nagelfest war, in ihren Schrank gestopft. Sie hatte sogar ihr Bett gemacht. Ihre Mutter regte sich dauernd darüber auf, wie schlecht man in einem ungemachten Bett schliefe. Aber viel schlafen, dachte Kim mit einem innerlichen Lächeln, würden sie bestimmt nicht.

»Cool«, sagte Teddy, als er eintrat und sich umsah. »Klasse, die Decke«, fügte er mit einem Blick auf das französische Doppelbett hinzu.

Kim nickte. Die Decke war ein Quilt aus bunten Stoffquadraten in unterschiedlichen Mustern: rot-weiße Streifen neben blau-weißem Karo neben gelben Blumen neben großen grünen Punkten. Ihre Mutter hatte die Decke ausgesucht, genau wie alles andere in diesem Zimmer, wenn sie auch scheinbar Kim die Entscheidungen überlassen hatte. »Es kommt ganz auf dich an«, hatte sie gesagt, als sie in das Haus eingezogen waren. »Du bist jetzt ein großes Mädchen. Wir richten dein Zimmer genau so ein, wie du es haben möchtest.«

Aber woher sollte Kim wissen, was sie wollte? Sie war ja zum Zeitpunkt des Einzugs erst elf gewesen und hatte noch gar keine Zeit gehabt, einen eigenen Geschmack zu entwickeln. Also hatte sie sich in allem nach den Vorschlägen ihrer Mutter gerichtet. Selbst die Wände ihres Zimmers spiegelten die Persönlichkeit ihrer Mutter. Während die meisten Mädchen ihres Alters ihre Wände mit Postern von Hollywood-Stars oder Jugendbands bepflasterten, hingen an den sandfarbenen Wänden von Kims Zimmer gerahmte Poster aus dem Art Institute, signierte Lithografien von Künstlern wie Joan Miró und Jim Dine, sogar eine wunderbare Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Mutter, die ihre Tochter umarmte, von der berühmten Fotografin Annie Leibowitz.



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